YMCA Weihnachtsfeier 2018

CVJM-Rahden feiert internationale Weihnacht.

Wir warten! Natürlich! In der Vorweihnachtszeit warten wir auf das Christkind, oder wir warten auf die Geschenke, oder wir warten, dass Weihnachten mit all dem Stress vorbei ist.

Wir haben eben ja kleine Theaterstücke gesehen. Da haben auch Menschen gewartet. Und dann ist etwas passiert und das Warten war vorbei. Der ersehnte Brief kam, der erhoffte Anruf oder ein Mensch zeigt Anteilnahme und tröstet. Das sind alles Situationen, die wir aus unserem Leben kennen. Wir warten in der Schlange vor der Kasse, wir warten beim Arzt, wir warten bei der Ausländerbehörde oder Sozialamt, manch Schüler wartet darauf, dass die Schule endlich einfach vorbei ist. Und wir hoffen, dass nach dem Warten etwas passiert, dass unser Leben bereichert. Nach dem Warten an der Kasse können wir mit dem Kochen anfangen, der Arzt hilft mit Medikamenten gegen die Krankheit, die Ausländerbehörde genehmigt den unbefristeten Aufenthalt und das Sozialamt bewilligt das monatliche Geld. Und der Schüler kann nach der Schule mit der ersehnten Berufsausbildung anfangen.

Es gibt auch das hoffnungsvolles Warten. In der Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesus, gibt es eine Geschichte, die von diesem Warten erzählt.

Da ist ein Mann. Er heißt Simeon. Und er wartet. Er lebt in der damaligen Weltstadt Jerusalem. Zur damaligen Zeit hat Mohammed noch nicht gelebt. Es gab also noch keine Moslems. Es gab aber auch noch keine Christen. Jesus war gerade geboren und nur ein paar Tage alt. Aber auch zur damaligen Zeit haben in Jerusalem nicht nur Juden gelebt. Es gab viel verschieden Götter und Religionen. Und Israel war kein eigenständiger Staat. Es war, wie die ganze Welt ums Mittelmeer von den Römer besetzt. Die Weihnachtsgeschichte erwähnt den Kaiser Augustinus, der alle Menschen zählen lies. Sicher nicht um eine Vorbildliche Bildungs – oder Wohnungsbaupolitik zu verwirklichen. Sicher eher dazu um verlässliche Zahlen für die Steuerschätzung zu bekommen. Wir erinnern uns an eine spätere Jesus Geschichte, bei der Jesus den Zöllner Zachäus besucht. Zachäus als Jude arbeitet für die Römer und nimmt für sie den Kaufleuten und Händlern die Zollgebühren ab. Keiner mag ihn, weil er nicht nur für die Römer das Geld einsammelt, sondern auch ordentlich in seine eigene Tasche wirtschaftet. Da waren die Menschen ziemlich sauer auf ihn.
Die Menschen waren nicht Herr im eigenen Land. Sie konnten nicht über die Wirtschaftspolitik bestimmen, die Oberstenrichter mussten im Zweifelsfall den römischen Stadthalter um Rat fragen und auch in religiösen Fragen mussten sie auf den Kaiser Rücksicht nehmen.

Aber nicht nur die normalen, einfachen Leute fühlten sich unsicher. Als die Weisen aus dem Morgenland kamen und bei Herodes, dem damaligen König von Israel – er war von den Römern als König bestimmt worden – nach Jesus fragen, ist dieser so in großer Sorge und Angst um sein Amt, dass er dies kleine Baby töten lassen will. Und weil die Weisen zu klug sind um ihm auf den Leim zu gehen und es ihm nicht verraten, lässt er vorsorglich alle kleinen Baby töten. Alle Menschen leben in Angst, Wut, Trauer, Hass und Ekel.

Aber es sind keine Geschichten von damals. Das Gefühl, dass der Statt, die EU uns u viel Geld über die Steuern abnimmt, kennen wir auch. Die Engländer wollen den Brexit, weil sie das Gefühl haben wollen, wieder Herr im eigenem Land zu sein.

Und das mit Herodes und dem Kindermord erinnert mich an Syrien im Februar 2011. Mouawiya Syasneh ist 14. Zusammen mit seinem Freund, Bashir Abazed und den anderen Jungs der Clique trifft er sich auf dem Fußballplatz in Daraa, ihrer Heimatstadt im Süden Syriens.

Die Teenager reden über alles Mögliche, auch über Politik, den Jungs ist langweilig. Überall in der arabischen Welt gehen Menschen für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße, der sogenannte „Arabische Frühling. Und wie ein Dummer-Jungen-Streich, eine Mutprobe, ein bisschen Blödsinn, wie ihn Teenager halt mal machen, kommt den Jungs in Daraa eine Idee: Sie kaufen Spraydosen und treffen sich in der kommenden Nacht – ganz heimlich, am Schulgelände. Auf die Schulmauer sprühen sie ein paar Sprüche: „Nieder mit dem Präsidenten“ und „Du bist dran, Doktor“ – so wird Assad als studierter Augenarzt genannt. Was die Jungs in dieser Nacht nicht ahnen: Ihre Worte, dieses kleine Graffiti auf der Mauer verändert ihr Leben und ihr Land, löst einen jahrelangen Krieg aus, die nach Angaben der UN größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit.

Denn am nächsten Tag verständigt der Schul-Hausmeister die Polizei, öffentliche Kritik am Präsidenten ist verboten.

Wir wissen alle, was dann passiert ist. Aber nicht die Aktion der Jungs ist am Syrien Krieg schuld. Sondern die Angst, die Sorgen, Nöte, der Hass, die banalen Gefühle dieses Präsidenten Assad, dass die Kritik, von Kindern an eine Mauer gesprüht, ihn seiner Macht berauben könnte.

Mir scheint es so, dass die Mächtigen dieser Welt nicht anders fühlen und denken, wie wir es auch machen. Sie warten auf ein nettes Wort, auf eine liebe Geste und alles wird gut. Aber wehe, wenn sie diese liebevolle, beruhigende und tröstende Geste nicht erfahren. Im Brexitstreit mit der EU hat die englische Premierministerin May letzte Woche den Herrn Juncker in Brüssel angefahren: „Wie haben sie mich bezeichnet: als nebulös?“ Er hat sie dann in den Arm genommen, getröstet und beruhigt und gesagt, dass er es so nicht gemeint hat.

In so einer Zeit hat dieser Simeon zur Geburt Jesu gelebt. Und von ihm wollte ich erzählen. Also, Simeon wartet. Er wartet in einer unruhigen, erregten Zeit. Aber es ist kein Hoffnungsloses Warten. Simeon wartet auf den einen Augenblick, auf den richtigen Moment, der alles verändert. Er wartet auf den Trost Israels. Auf den neuen König, vor dem Herodes so viel Angst hatte.

Und an dem Tag, als Jesus als kleines Baby von seinen Eltern in den Tempel nach Jerusalem gebracht wird, da spürt Simeon, dass er auch in den Tempel gehen muss. Er sieht dieses kleine Baby auf dem Arm seiner Mutter und dass ist das Ereignis, dass sein Warten beendet. Simeon ist getröstet. So wie Herr Junckers die verunsicherte Theresa May beruhigt und Tröstet, so ist Simeon getröstet.

Und jetzt frage ich euch: was hat sich im Leben von Simeon geändert, was hat sich in diesem Moment an der Weltgeschichte geändert? Ein kleines Baby, das noch keinen Gedanken gedacht hat, noch kein Wort gesprochen hat, soll alles verändert haben?

Mit diesem kleinen Baby hat sich etwas ganz Entschiedenes verändert. In diesem kleinen Baby ist dieser große, allmächtige Gott in unser Leben gekommen. ER ist nicht mehr fern, er ist nicht mehr unwirklich, unfassbar. In Jesus ist er ganz nah. Und noch etwas ist ganz nah: Frieden ist ganz nah. Ich muss nicht mehr ängstlich, wütend, verunsichert oder resigniert sein. Gottes Frieden kommt auf die Welt und ich kann getrost sein. Und das ist, was ich jedes Jahr an Weihnachten neu lernen will zu glauben: Frieden ist ganz nah und Frieden ist möglich für alle Menschen.

Vor ein paar Tagen haben Christina und ich ganz still und leise daran gedacht, dass das YMCA Café vor genau 4 Jahre gestartet ist. Ähnlich wie Simeon haben wir die Veränderung und Unruhe in der Gesellschaft in Deutschland wahrgenommen – Gründung der AfD, Attentate der NSU. Aber auch die weltpolitischen Veränderungen: der arabische Frühling, Syrienkrieg, IS usw. Und wir haben gespürt, es muss sich was tun. Nicht irgendwo, sondern hier bei uns. Wir haben 14 Tage gebraucht, von der Idee, wir machen was, bis zur Öffnung des Cafés. Und wir haben es erlebt, wie Frieden im Kleinen möglich ist. Und es machen so viele Menschen mit. Und wenn ich in eure Gesichter schaue, dann denke ich: ja, Frieden braucht Vielfalt.

Es ist eine unruhige, unsichere und unbeständige Zeit, in der wir erleben! Aber lasst euch nicht von denen, die erregt, ängstlich und verunsichert sind mitreißen. Simeon hat auf den Trost, die Hoffnung aktiv gewartet. Er ist getröstet und wir sind es auch. Frohe Weihnachten.